Archive for Oktober, 2009

Ein Markt macht sich bereit

Donnerstag, Oktober 29th, 2009

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Nanu, das Logo kenn ich doch?

Als ich auf dem Nachhauseweg an dem THE PLACE Shopping Center vorbei kam (das mit dem mächtig großen Bildschirm), traute ich meinen Augen nicht: Da schwebte ein überdimensionales Apple Signet über mir. War das etwa eine Hommage? Wir erinnern uns: als ich letztes Jahr hier antrabte, tat man mir den Gefallen, direkt vor meinem Bürofenster ein iPod Plakat aufzuhängen. Und nun, zum Jubliäum, scheint man einen Schritt weiter zu gehen.

IMG_0319Ein 60x20m großes Areal unter diesem Logo macht sich fein für den morgigen Tag. Dem Tag, an dem in China endlich offiziell das iPhone von Apple verkauft wird: Weiss betuchte Stuhlreihen, eine große Bühne, Catering und unzählige Aktivierungsterminals warten auf die, die sich durch die meterlang abgesperrten Warteschlangen kämpfen. Dass diese Terminals alle Windows PCs (!?) sind, macht sofort klar: Das ist hier keine Apple Veranstaltung, sondern von China Unicom, der Vertrags-Telefongesellschaft.

IMG_0325IMG_0323Ob sich hier morgen wirklich derart viele Leute drängeln werden? Man darf zweifeln. Einerseits ist der Markt bereits von unzähligen Hong Kong – iPhones durchzogen, andererseits hat die chinesische Festland-Variante ja einen bekannten Haken: Kein WLAN. Die Regierung wollte das so. Man fürchtet, zu viele Menschen könnten sich unkontrolliert in offene Netze wie z.B. bei Starbucks einwählen und Blogs schreiben. Diese könnten anti-Regierung sein und dann weiss man nicht, wem man einen freundlichen Besuch zuhause abstatten muss. ––Äh, Herr Li? Ich finde euch ganz klasse und so! Weisste, ne?

IMG_0361Jedenfalls scheint man seinem eigenen Network nicht recht über den Weg zu trauen, denn direkt vor dem Gelände parkt ein LKW mit mobilem 3G Funkmast. Besser, die Menschen haben zumindest für ein paar Minuten nach der Aktivierung das tolle Gefühl eines schnellen Netzwerks, sonst beschweren sie sich eventuell noch an Ort und Stelle. Und dann verliert einer die Nerven und ein anderer sein Gesicht.

Ach Du Fröhliche…..

Donnerstag, Oktober 29th, 2009

Das hält man ja nicht aus. Völlig unschuldig ist man auf dem Weg zum Shareholder Value getriebenen Röster des verloren gegangenen Vertrauens, um dem Arbeitsnachmittag den letzten Kick zu geben und dann das:

Auf geht's ins holde WeihnachtsgeschäftDa stellen sie doch tatsächlich am 29. Oktober einen Weihnachtsbaum auf.

Gut, man muss schon sehr stark abstrahieren, um ihn zu erkennen, aber es soll einer sein. Ganz klar.

Irgendwie muss es ihnen selber peinlich gewesen sein, denn der mit der Aufstellung betreute fleissige Herr unten rechts im Bild zieht genau in dem Moment den Stecker der grellen Neonshow, als ich mein Handy zur Ablichtung des Dramas in Position gebracht habe. Mist. Und dabei wollte ich unbedingt festhalten, wie er in prächtigen Pink, Mint und Himmelblau-Tönen jeder Disko-Anlage Konkurrenz machen könnte.

Mein lieber Herr Li, jetzt mal ehrlich: Das ist einfach nicht Dein Fest. Und Du hast dieses Jahr schliesslich bereits Ende Januar (Chinese New Year) und Anfang Oktober (National Holidays) Grund und Gelegenheit genug gehabt, alles vollzustellen und zu -hängen. Ganze sieben Tage am Stück durftest Du so viel rumböllern, dass sogar Neubauten in Schall und Rauch aufgehen.

Und ja, wir wissen, dass Du das Aufstellen von blinkenden, zu Kegeln stilisierten Bäumen und thematischen Papp-Schildern mit der inneren Besinnlichkeit einer Adventszeit verwechselst. Bitte nicht an den Amerikanern ein Beispiel nehmen: Nicht die verbrauchte Strommenge und das Durchhaltevermögen beim Abdudeln der immer gleichen Weihnachtsmusik-CD zählen! Obwohl Äh, Weihnachten?man das bei Dir denken könnte. Beim letzten Fest ging es permanent von November bis Mitte Februar und vereinzelt konnte man auch in jedem anderen Monat des Jahres die Jingle Bells klingeln hören. An manchen Shops hängen noch immer die Merry Xmas Grüße 2008. Und Du bist sogar stolz darauf, ich weiss. Du glaubst, das sei weltoffen. Deine Mühe sei zur Kenntnis genommen.

Hier ein Angebot zur gütlichen Einigung: Etwas weniger halogenblaues Lauf- und Stroboskop-Licht, nicht ganz so viel auf die Ohren und dafür vielleicht ein paar Marzipankartoffeln aus Lübeck importieren und von Lindt den guten Herrn mit dem weissen Gesichtswuchs. Dann regen wir uns auch nicht mehr ganz so sehr auf, wenn wir im Mai wieder auf eine Gruppe fröhlich leuchtender Rentiere treffen! Versprochen.
Blinkomat
Nachtrag:

Es scheint Schule zu machen. Als ich nach Hause kam, bot sich mir dieses fröhlich blinkende Bild zum Willkommensgruß.

56 mal werden wir noch wach…

Hier ist das Vögelchen

Montag, Oktober 26th, 2009

Es gibt so Momente, da weiss man gar nicht, was man vor sich hat. Und später wundert man sich dann, wie das eigentlich sein konnte.

Nehmen wir einmal untenstehendes Foto. In einer Woche ist es genau ein Jahr her, dass ich es, mehr aus einer Laune heraus, geschossen habe. Es war der erste Tag, an dem Hell Dlalle in China war, und wir zwei beiden sprangen über die Wangfujing, worüber ich dann ja auch gleich kurz einmal berichtet hatte.

Einmal rauf die Strasse und auf der anderen Seite wieder herunter. Da gibt es anderswo deutlich uninteressanteres, wenngleich es sich eigentlich nur um eine Einkaufsstrasse handelt. Am Ende (oder Anfang) stiessen wir auf einen Fotoladen. Recht unspektakulär und nach Touri-falle aussehend. Im Fenster lehnten diese drei in Goldrahmen eingefassten Bilder.

China Photo Store

Ich weiss noch, dass wir uns angeregt darüber unterhalten hatten, ob diese nun drei verschiedene Männer zeigen, oder ob das auf jedem Bild der Mao war, nur halt in verschiedenen Altersstufen. Das Chinesische konnten wir ja nicht lesen und irgendwie war’s uns auch nicht so wichtig. Wir haben nur ein wenig darüber geschmunzelt, wie man derlei offensichtlich billige Posterimitate für Touristen so aufgemotzt ins Fenster stellen kann. Die Zeit für diese Art von Portraits war ja wirklich längst um.

Zwölf Monate später lese ich in der Oktoberausgabe des Time-Out Beijing nun dieses:

Das China Photo Studio ist das weltweit einzige authorisierte Geschäft, das diese drei offiziellen Porträts von Chinas vergangenen Führungskräften ausstellen darf. Warum? Weil sie die Originale sind! Und weil diese Originale in genau diesem Geschäft entstanden sind. Urheberrechtlich einwandfrei.

Das Studio wurde 1937 in Shanghai gegründet und zog 1956 nach Peking um, weil es der damalige Premier Zhou Enlai nun einmal so wollte. Und dieser begründete dann auch die Dreierreihe mit seiner Ablichtung im ersten Jahr. Selbstredend haben die Inhaber nie wieder Sorgen aufgrund ausbleibender Kundschaft gehabt, und man reist wohl auch heute noch von weit an, um sich hier vereweigen zu lassen und etwas vom Geist der Macht aufzuschnappen.

Siehste, so kann man sich täuschen. Ich werde demnächst auch mal einen Termin dort machen. Vielleicht wird dann ja noch was aus mir.

Ein Herz für Glukose

Mittwoch, Oktober 21st, 2009

Getrocknetes Fleisch in Bonbonpapier, eingeschweisste Tierextremitäten und klebrige Reisbällchen. Der Chinese weiss schon, wie man sich vom Naschen abhält.

Soll schmeckenMilka, Haribo, Toffifee und After Eight – Fehlanzeige. Wie oft schon habe ich mich mit Heisshunger in die Knabberecke stürzen und ohne die geringste Beute wieder hinausschlurfen sehen. Nüsse könnte man da noch kaufen, Vogelfutter und getrocknete Früchte, keinesfalls aber diese Plombenzieher mit Fischgeschmack, gepresstes Sonstwasmuß oder etwas anderes der unzähligen und undefinierbaren abgepackten Tütchen.

Es ist aber auch zum Haare raufen. Selbst wenn man mal einen Snickers oder eine Tüte m&m erspäht (natürlich nur im Ausländer – orientierten Teuershop), dann haben sie Kindergröße. Der Erdnussbeisser ist in etwa halb so groß wie bei uns, ebenso Mars. Twix gibts mal gar nicht und die größten Packungen m&m sind diese kleinen 25g Beutelchen. Beim Eis ist es genauso. Hat man mal ein Magnum erblickt, ist es zum einen schon ein Jahr alt und zum anderen nur halb so groß wie bei uns.

In China isst man einfach nicht gerne süß. Man kann auch niemandem so wirklich eine Freude machen. Selbst wenn man aufwändig aus Deutschland die dicke lila Tafel, das gute Marzipan aus Lübeck oder Mozartkugeln aus Salzburg importiert. Da wird einmal artig abgebissen, der Geschmack für interessant, aber erstaunlich süß definiert und dann stürzen sie sich wieder mit Vorliebe auf ihre Hummerkekse und Leberdrops.

Kein Wunder also, dass das Nachtisch-Angebot hier zulande gleich null ist. Vanille Pudding? Dafür würde ich Herrn Lis Erstgeborenen verschwinden lassen. Selbst Cola gibt es im Supermarkt zum Teil in diesen Mikrodosen, in denen sie früher einmal im Flugzeug ausgeschenkt wurde. Eine ganze 0,33 Dose wäre für manchen einfach zu viel und zu süß.

Dafür allerdings ist Brot hier gezuckert. Ja, muss man jetzt nicht verstehen. ‘Brot’ wie man es bei uns kennt, gibt es eh nicht. Aber das weisse, amerikanisch inspirierte luftige Toastgebäck wird in der Tat gerne noch mit Glasuren überzogen oder mit seltsamen Füllungen angereichert. Red Bean Bread liegt bei uns zuhause immer mal wieder rum, und es ist praktisch ein Hefezopf mit versüßtem Bohnenmuß. Mahlzeit. Gut, dass man an Wurst auch nicht so gut rankommt. Das wäre eine sehr spezielle Mischung.

Wie schön also, wenn man mal auf den Flughäfen der Welt unterwegs sein darf. Dann lacht das Kinderherz. Zumindest wenn es aus Europa kommt. Manchmal kommt es eben doch auf die Größe an.

Schoki fürs Herz

232 API vs. 9k

Sonntag, Oktober 18th, 2009

Es gibt so Dinge, die wollen sich einem einfach nicht erschliessen. An Kurvendiskussion und Sinus/Cosinus erinnere ich mich in diesem Zusammenhang aus meiner Schulzeit. Das war einfach nicht mein Ding. Kurven fand ich klasse und drüber diskutieren war immerhin interessant, aber was unser werter Mathelehrer da vorne wollte, das passte sowenig in meinen Kopf wie das Quadrat ins Dreiecklock.

Genauso gestaltet es sich mit den Maßeinheiten für Luftqualität. API, AQI, PSI und dergleichen errechnen sich auf geheimnisvolle Weise zu gewissen Zahlen, die eine ungemein deutliche Aussagekraft haben. Nunja, wenn man sie denn versteht. Ein viertelstündiges Rumgoogeln hat mich nur wenig erleuchtet, deshalb weiss ich eigenlich nicht so recht, wovon ich hier spreche. Aber das hat mich ja noch nie aufgehalten, den Mund zu öffnen.

Jedenfalls geht es grad um die Feinstaub-Partikel PM2.5, also Teilchen, die kleiner als 2.5micrometer (ungefähr 1/30stel der Dicke eines menschlichen Haares) sind und als die aufgrund ihrer Winzigkeit schlecht gefiltert werden können. Damit dringen sie potenziell am tiefsten in den Organismus ein.

Ein strahlender TagDie Landesregierung in Peking verlautet seit ca. zwei Jahren stetig stolz, wie sehr sich die Luftqualität verbessert. Die Anzahl der ‘Blue Sky Days’ im Jahr nimmt demnach stetig zu, Smog und Schadstoffbelastung dagegen ab. Man gibt sich umwelt- und gesundheitsbewusst und tut was kann.

Ganz Peking ist bestückt mit Messstationen des roten Volkes. Ganz Peking? Nein! Ein von unbeugsamen Amerikanern bevölkertes Botschaftsgebiet hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Mit ihrer eigenen Luftmessstation funken sie stündlich Updates über die Feinstaublage ins Twitternetz und informieren auf diese Weise jeden, der alternative Quellen bevorzugt.

BeijingAirDass sich die Zahlen der beiden Quellen nur wenig ähneln, brauche ich sicherlich nicht zu sagen. Wenn sie das nicht täten, hätte es auch keinen Sinn gehabt, diese ganze Story zu erzählen. Für den heutigen Tag beispielsweise sagt die US Botschaft ein Durchschnitts-API von 232 voraus und stempelt das als ‘very unhealthy’ ab. Da noch eine Feinstaubdebatte anzustreben ist praktisch lachhaft. Eine als ‘good’ zu bezeichnende Größe API reicht bis 50. Ab 100 wirds unschön. Unser heutiges 232 ist nur knappe 70 Punkte von ‘hazardous’ entfernt. Da könnte man wahrscheinlich auch gleich direkt durch den Auspuff atmen. Zum frische Luft holen jedenfalls muss man schon nach Drinnen gehen. Empfehlung: Anstrengungen im Freien vermeiden und möglichst längeren Kontakt mit der Aussenluft meiden.

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L/R

Mittwoch, Oktober 14th, 2009

Nein, falsch. Um links/rechts geht es jetzt nicht. Im Chinesischen wäre das auch Z/Y für zuǒ/yòu und so kurz nach der Bundestagswahl möchte sowieso niemand was über derartige Richtungsangaben mehr lesen.

Konfuzius“Del Chinese lollt das El” wie jeder weiss. Es scheint eine Weisheit des Konfuzius. Und doch müssen wir hier mal den landesfarbigen Korrekturstift ansetzen, denn leider ist dies ein Vorurteil. Zumindest meine beiden Schallempfänger haben noch keine ausgeprägte R-Schwäche der Bevölkerung feststellen können.

“Try red rooster, gringo” macht zwar überhaupt keinen Sinn, wäre rein phonetisch jedoch kein Grund für den Kollegen von nebenan, den Entknotungsdienst zu rufen. Man höre und staune. Gut, es ist kein gekratztes R, wie wir Deutschen es kennen und mögen, aber immerhin ein als solcher zu erkennender Buchstabe.

Und doch, es gibt da ein gewisses Problem. Allerdings nicht beim R wie wir nun wissen, sondern –jetzt kommts– ausgerechnet beim L! Der lallende Buchstabe lodernder Leichtigkeit geht dem Kollegen sehr viel schwerer über die Oberkante Unterlippe, zumindest wenn es nicht am Wortanfang steht. “Towel” klingt dann so wie “Towouh” und “Köln” wie “Köuhn”.

Ja, Moment einmal. Da sind sich Quadrilliarden Menschen weltweit einig, dass der Herr Li sich zwar kein X für ein U vormachen lässt, aber ein L für ein R. Und dann soll er das in Wirklichkeit gar nicht aussprechen können? Wie geht denn sowas?

Nun, ich hätte da eine Lösung anzubieten. Ohne Fokusgruppe und nicht repräsentativ, dafür interessant:

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Das Jahr in Bildern

Dienstag, Oktober 13th, 2009

Das Jahr in BildernPassend zur heutigen Einjahres-Feier hier eine Auswahl an fotografischen Eindrücken.

Bunt gemischt, manches bekannt, manches noch nicht. Ein Querschnitt eben. Und alles Momente, die das Jahr, die Entdeckungsreise und das Erlebnis ‘in der Fremde’ an sich ausgemacht haben.

Helau und Konfetti.

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Platonisches zum Jubiläum

Dienstag, Oktober 13th, 2009

SokratesIch weiß, dass ich nichts weiß.

Sokrates, Du alter Ado-Goldkantenträger! Knappe zweieinhalbtausend Jahre sind seit Deines grübelfundierten Ausrufs vergangen. Das Denken und Werten eines ganzen Kontinentes hast Du auf diese Weise in Grundfesten erschüttert, neu ausgerichtet und musstest dafür schließlich in die ewigen Olivenfelder gehen.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass derart Tiefgreifendes ausgerechnet vom platonischen Streber selben Names weitergetragen wurde, weil der Herr Philosoph nun einmal schreibfaul war. Oder er wusste, dass er auch nicht wusste, wie man schreibt. Nunja, man weiß es nicht.

Die Erkenntnis der wissensbehafteten Nullrunde schickt sich jedenfalls in diesem Moment an, einen weiteren Kontinent für sich einzunehmen. Wenden wir uns nun also voller Spannung dem dafür Anlass gebenden Grund zu:

Wir schreiben den 13. Oktober. An und für sich jetzt kein Grund, in hochtrabende philosophische Bekenntnisse auszubrechen, wäre da nicht der kleine Umstand, dass es heute genau 6 Monate her sind, seit ich meinen Blogeintrag zum Halbjährigen geschrieben habe. Da wir heuer also folgerichtig den ersten Jahrestag begehen (und zwar um genau 12:55 Uhr Ortszeit, bzw. 06:55 Uhr MEZ), ist es an der Zeit für eine Momentaufnahme, ein Fazit und einen Blick in die Zukunft.

Die auf alle drei Teile passende Antwort bringt uns zurück zu Hellas’ Sohn. Wie anmaßend wäre es zu behaupten, nach so kurzer Zeit etwas über das Leben in der Fremde wissen zu wollen? Sicher, zwölf Monate sind mehr als die ein oder zwei Urlaubswochen mancher Besucher. In dieser Zeit kann man auch bereits entfernt von Einleben sprechen. Aber wirklich etwas wissen?

ChinaIch bin weder Kulturjournalist, noch Fotoreporter, und habe noch immer viel zu wenig Berührung mit dem ‘wahren’ China gehabt. Dem China, das weniger Ähnlichkeit mit Disneyworld oder Chicago hat. Dem China, in dem man auch nicht das kleinste bisschen Englisch spricht, und in dem Kaffee und Sandwich quasi Unbekannte sind. Dieses China läge nicht einmal unglaublich weit weg, sondern begönne bereits dort, wo man sich noch als Beijing zugehörig bezeichnen würde – nur wenige Kilometer vom jetzigen Schreibort aus entfernt. Ich weiß also, dass ich nicht weiß wie es ist, das wahre China.

Wie kommt es eigentlich, dass Orte, die sehr nah sind, doch so weit weg erscheinen, dass man niemals dort war?

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Nummer 4 lebt oder Der Haken an der Sache

Mittwoch, Oktober 7th, 2009

Die Zahl Vier ist eine ganz unglückliche in China. Man meidet sie, wo man kann. Aus Stockwerken wird sie herausgestrichen und Telefonnummen mit ihnen will niemand haben. Zwei Vieren sind dagegen schon besser. Sie ergeben zusammen acht und das ist im Gegensatz zu seiner Hälfte die wichtigste Glückszahl. Telefonnummern kosten pro Anzahl der enthaltenen Achten immense Aufschläge.

Ich frage mich dabei, ob das erfolgreiche Spiel “Vier gewinnt” wohl in China verkauft wird und ob das Gewinnen mit einer Vier tiefenpsychologische Auswirkungen auf Herrn Lis kleinen Bälger hat.

Auf Symboltracht wird jedenfalls viel Wert gelegt in China. Die Eröffnung der olympischen Spiele am 08.08.08 galt zum Beispiel als großes Zeichen. Und dann haben sie ja auch prompt die meisten Medallien abgeräumt, die guten garantiert mindestens 16jährigen Sportlerchen mit den international abgeschotteten Dopingkontrollen.

Der 09.09.09 war auch so ein Symboltag. Die 9 hat wie die 8 stark positiv aufgeladene Bedeutung. Vereinfacht könnte man sagen, sie steht für langes Glück und Liebe in der Ehe. So waren dann auch Anfang letzten Monats die Standesämter 24 Stunden lang geöffnet. Und man drängelte sich dementsprechend, um ja von den guten Vorzeichen zu profitieren.

Warum ist denn aber nun eigentlich die 4 so unbeliebt? Das erklärt sich fix über die Sprache. Die Zahl wird sì ausgesprochen, wobei der kleine Akzenthaken zeigt, das man den Tonfall hart, kurz und nach unten gehend anzusetzen hat. Auch ist es kein langes iiii, sondern ein komprimiertes, wie am Anfang des Wortes ‘immer’.

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T-Time

Freitag, Oktober 2nd, 2009

Ich hatte ja schon angedeutet, dass ich zur Stunde der Jahrhundert-Feier nicht anwesend sein würde. Und so ist es denn auch. Landesflucht vor der grossen 60. An die Stelle Chinas tritt ein anderer von inneren und äusseren Spannungen gezeichneter Teil Asiens: Thailand.

Der aufmerksame Leser erhebt natürlich in diesem Moment den Streberfinger und merkt an, dass ein Bericht über Thailand ja nichts in einem China-Blog zu suchen hat. Dachte ich zunächst selbst. Dann aber fiel mir eine bislang übersehene Tatsache auf: Thailand ist nicht Deutschland.

Bevor mir jetzt der totale Realitätsverlust nachgesagt und mein Pass heimlich gesperrt wird, muss ich diese Aussage kurz erläutern:
Bislang war es mir nur möglich, Herrn Li und die Mitglieder des roten Bundes der würfelnden Trinkgenossen im direkten Vergleich China vs. Deutschland zu sehen. Harte Kontraste, scharfe Ecken und viel Blitzlicht inklusive. Das gewöhnt sowohl den Schreiberling als auch den geduldigen Buchstabenzähler an eine ganz bestimmte frontale Sichtweise.
Nun aber, aus dem Reich König Bhumibol Adulyadejs bekommt alles ein farbenfrohes Licht quer von der Seite. Dem geht’s ja nebenbei zum Glück seit gestern auch schon wieder etwas besser, nachdem er die vergangenen Tage etwas angeschlagen war.

Ist Herr Li mit einem Mal einer von vielen? Sind sich womöglich Milliarden Asiaten derart ähnlich, dass die eigentlich Seltsamen wir Sauerkrauts sind? Muss sich der Blog in Zukunft viel eher mit der sich der Wirklichkeit entziehenden deutschen Mallorca-Kultur beschäftigen?

Aber fangen wir doch vorne an.
Beim Aufsetzen der Boeing auf dem Flughafen steht nach wie vor der Eindruck, der sich beim ersten Betreten der Kabine gebildet hatte: alles so freundlich hier. Und so bunt. Die Stewardess, ‘tschuldigung Flugbeiwohnerin, legt die Handflächen vor der sehr sehr kleinen Nase zusammen, neigt den Kopf und mit ihm ein wenig den Oberkörper und wünscht einen angenehmen Aufenthalt. Dasselbe tun alle ihre Kolleginnen und Kollegen, sobald man sie ansieht. Der Tourist beweist, dass er ein solcher ist und kann zur Erwiderung nur dümmlich, weil ungewohnt, grinsen. Dabei legt er eine unsichere und wenig entschlossene Teil-Nickbewegung der linken Kopfseite hin und sieht damit so aus, als habe er sich während des 4,5 stündigen Fluges verlegen. Na, die Geste zählt. Hoffentlich hieß das jetzt nichts komisches.

Auf der Rampe zwischen Flugzeug und -Hafen schlägt ihm die erste Vorahnung dessen entgegen, was ‘ein schöner Aufenthalt’ bedeuten könnte.
Bangkok, 34 Grad, 95% Luftfeuchtigkeit, das Haar schwitzt.

Bangkok

Und was ist der allererste bleibende Eindruck dieser Stadt mit dem orientalisch anmutenden Namen? Richtig-ein ordentlicher Ohrwurm.
Als Kind der 80er muss ich schames- und sonnenbrand-rot zugeben, dass ich stundenlang nichts anderes als ‘One Night in Bangkok’ im Kopf hatte. Rauf und runter gedudelt, die alte Scheibe. Nicht ganz unschuldig an dieser Tatsache dürfte der Umstand sein, dass wir wirklich nur eine einzige Nacht dort verbringen wollten, um anschließend die Inselparadiese weiter südlich im Land anzusteuern.

Nach mehrmaligem Ein- und Auschecken in verschiedenen Hotels verfestigt sich langsam aber sicher ein ganz bestimmtes Bild: so wie die Chinesen sind bei weitem nicht alle Asiaten. Kein Gehupe, kein Gespucke, man unterhält sich respektvoll leise, um andere nicht zu stören und überhaupt sieht alles deutlich westlicher und moderner aus.

‘Von Deutschland aus liegt Thailand ja gefühlt viel näher als China’ sagte letztens noch ein guter Freund. Es scheint zu stimmen. Deutscher Biergarten, alles fein sauber und Englisch können sehr viele sehr gut. Irgendwann meinte sogar Amanda ‘da hat Peking aber noch einen weiten Weg vor sich’. Da guckste.

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