Archive for Dezember, 2008

Gut, dass wir verglichen haben!

Freitag, Dezember 26th, 2008

Vor kurzem benötigte Hell Dlalle Unterstützung im Beschallungsbereich. Da er seiner chinesischen Stereoanlage kein Tsching entlocken konnte und sich sowieso lieber von Westphonetik seines iPods berieseln lassen wollte, mussten nun also luderlose Boxen her. Was denken sich also zwei verwöhnte Langnasen? “Fahmama zu Saturn”. Hier durften die zwei wieder einmal mit dem chinesischen Nationalgericht Bekanntschaft machen, dem heiß geliebten Pustekuchen, auch verkürzt “méi yǒu” (‘hamma nich’) ausgedrückt.

Ich möchte nicht sagen, in China sind alle blöd, aber Media Markt oder Saturn sind auch méi yǒu, wie sich der geneigte Leser wohl schon gedacht hat. Was also tun? Taxibuch raus, Thema Elektronik aufgeschlagen und das Ergebnis dem Lenker des nächsten Knoblauchpanzers unter die Fahne gehalten. Doch doch, Kollge, genau da wollen wir hin. Es sei denn, Du hast was besseres im Angebot.

Hatte er nicht. Also gings an unsere Zieladresse. Von einem großen Elektronikkaufhaus war dort allerdings nichts zu sehen. Vielmehr eine Ansammlung kleiner Läden, teilweise unter einem Dach und jeder kaum mehr als 15 Quadratmeter groß. Atmosphärisch irgendwo zwischen Bazar und Messe-Abbau präsentierte sich das ganze wenig vertrauenswürdig.

Immerhin konnte ich zum ersten Mal diverse iPod Fälschungen in Augenschein nehmen (Frechheit!) und so manches in Rente vermutetes PS/2 oder serielles Kabel beäugen. Hell Dlalle fand sogar keine Klangkörper, nachdem wir den Laden kurzerhand per iPod über die Qualität westlicher House-Musik in Kenntnis gesetzt hatten. So wurde es dann auch das etwas weniger schrill aussehende Paar Lautsprecher. Klang einfach besser. Gut, dass wir verglichen haben! Das meinte auch der Verkäufer, der uns bereits im Anflug mit seinen Beratungsfähigkeiten überzeugte: “Hello Sir. Look.”

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Ausgestrahlt und angepeilt

Freitag, Dezember 26th, 2008

Dass man in Peking den Größten hat, wissen wir ja bereits. Und was in die Breite geht, kann man auch in die Höhe treiben. Unser aller Lieblingsklotz von Nebenan, der direkt aus New York importierte World Trade Center Turm Nummer drei macht nun auch noch bei Nacht auf unheimliche Art und Weise auf die Verwandschaft zu Ground Zero aufmerksam.

Mit schlappen über den Daumen geschätzten 465 Trilliarden Watt funzelt er gen Himmel und betätigt sich als Taschenlampe Nümero Uno. Nena und Markus wären begeistert. Die Buchhalter des Atomkraftwerks vor den Stadttoren sind es sicher auch.

Aber welchem Zweck dient die Lichtflut der Flutlichter? Wozu diese fünfte Adventskerze? Patrik und Hell Dlalle haben dazu nach Rücksprache mit Herrn Li folgende zweifellos erleuchtende Erklärung aus dem Sicherungskasten hervorgezogen:

Hier sehen wir das Anpeilen des Landeplatzes für den ersten chinesischen Mondflug. Ganz klar! Wir waren angesichts der erleuchtenden Erkenntnis ein wenig verstrahlt und haben weiterhin vermutet, dass sich im Inneren des Turms auch gleich die Rakete bedindet, deren Halterung das sich ausklappende CCTV Gebäude gegenüber sein wird. Aber da dürfte der Schein wohl etwas trügen und wohl doch der zweiten Flasche Shiraz zuzuschreiben sein, die sich nach dem 4. Gang leer auf unserer Weihnachtstafel anfand.

圣诞节快乐 (Merry Christmas)!

Mittwoch, Dezember 24th, 2008

Ich habe noch nie warten können, bis es Heilig Abend war. Meine Eltern können ein Lied davon singen. Das wäre dann wahrscheinlich ‘Ihr Kinderlein kommet’ und war mein Startschuss fürs Pakete aufreissen. (Erstes Paket schon beim ‘r’ von ‘Ihr’ abgehakt). Wie schön also, dass mich die Zeitverschiebung fröhliche sieben Stunden vor meiner angeborenen Zeitzone in diese Lage versetzt.

Und was macht so ein Touri im Land der Weihnachtsunwissenheit? Er trifft sich mit anderen Touris zum gemeinsamen Schmaus, auf dass bei allen bald die Glocken klingeln. Zwei, drei, vier Gänge dürfen es sein und die Gewissheit dazu, dass Weihnachten eine Einstellungssache ist, kein Umgebungsparameter.

Wir werden versuchen, ein wenig Heimat aufleben zu lassen und an euch alle da draussen denken. Feiert schön und freut euch, dass ihr es könnt. Ihr werdet vermisst.

In diesem Sinne: Ein frohes und besinnnliches Fest!

Der heimliche Christo

Mittwoch, Dezember 24th, 2008

Verplant sind sie. Nein, diesesmal geht es nicht um die Chinesen, sondern um ihre Flora. Man möchte meinen, nach Reichstag, Central Park und anderen Vermummungen hätten Christo und Jeanne-Claude nun den ganz großen Eilanden den Rücken zugekehrt und sich um ganz kleine Inseln gekümmert – den Grüninseln Pekings.

Akkurat umrandet, eingetütet und abgepackt sieht man dieser Tage die Büsche und Bäume (nicht).

Aber es ist weder Kunst noch florale Schüchternheit, sondern einzig der Schutz vor Kälte. Das erscheint im ersten Moment arg übertrieben – wer um alles in der Welt verplant denn unzählige Kilometer Gestrüpp, nur weil man keine Badehose mehr anziehen kann?

Nachdem sich aber vergangenes Wochenende das Thermometer bei -15°C wieder einmal als Schockfroster Deluxe verdingte, schwant dem warmduschenden Westler, dass etwas dran sein könnte, an dem Gummischutz. Sollte möglicherweise doch etwas an der Warnung der Kollegen dran sein? “Im Januar kannst Du nicht bei Wind um eine Hausecke gehen, sondern musst warten, bis es abflaut” heisst es. Da könnte dann in der Tat mal das Wetter der Grund für den allseits gefürchteten Gesichtsverlust sein.

Wedel-Omas mit Trommelzug

Sonntag, Dezember 14th, 2008

Über Mangel an ausdrucksbegeisterten Aktivgruppen kann man sich in Peking wahrlich nicht beklagen. Wir durften schon Tango und Walzer tanzende Zeitgenossen erleben. Heute nun eine verwandte Gattung: Die Wedeloma.

Sie ist der Prototyp der Rave-Schnitte, und ihre Loveparade ist klein, aber wesentlich fundierter als Dr. Mottes Hüpfzug.

Die Wedeloma nimmt ihren Job ernst. Vertreibt sie böse Geister? Nervige Touris? Versucht sie mit ihrem windigen Treiben die Chaostheorie zu begründen? Übt sie für die Weltmeisterschaft der Cheerleader oder ist dies die fortgeführte Abchlussveranstaltung der olympischen Spiele? Wir wissen nicht viel über die Beweggründe der textilbewegenden Tanzerscheinung. Aber wir befinden sie für gut und können nur zum mitmachen auffordern. Denn: wer rastet, der rostet. Auch bei trockener Luft. Und eins und zwei…

Wedelomas – Das Video

Ei, da ist Musik drin

Sonntag, Dezember 14th, 2008

Paule, was haste denn da gelegt? So oder so ähnlich hat man Monsieur Andreus Werk bei der Eröffnung der neuen Chinesischen Staatsoper kritisiert. Nicht chinesisch genug sei sein Entwurf. Und das, wo er nur einen Steinwurf vom Tian’anmen Platz entfernt steht. Frechheit!

Nach fünf Jahren Bauzeit und einem ganzen Haufen Glas und Titanium stand der neue Hörsaal für 2.416 Opernbegeisterte nun also so da rum und erntete westliches Lob und östliches Unverständnis.

Wenn man den musikalischen Gugelhupf so umrundet und ihn im Gesamtzusammenhang mit der teils klassisch chinesisch, teils solzialistisch geprägten Stilumgebung betrachtet, fragt man sich in der Tat, ob das ein Ufo, ein Weltraumpickel oder ein Riesenhaufen Wackelpudding ist. Der Gestaltungsbruch ist in etwa mit dem des Louvre zu vergleichen.

Bei den sich ergebenden Fotomotiven muss man jedoch nach ein, zwei Umrundungen der Schüssel gestehen, dass Herr Andreu nicht vollkommen ins Nippelnirvana abgeglitten sein dürfte. Die von Wasser umringte fließende Form drängt sich weniger auf, als gedacht und verströmt weitaus mehr Emotionen, als Form- und Materialwahl vermuten lassen. Zwar läßt der Bau tatsächlich jede Anlehnung an asiatische Baukunst vermissen, bleibt sich selbst aber gerade aus diesem Grund sehr treu und verkörpert so auf gewisse Weise genau das, was Oper selbst auch ist: Kunst.

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Hutonale Einsichten

Dienstag, Dezember 9th, 2008

Das alte Peking verschwindet langsam aber stetig. Besonders sichtbar ist dies am Wohnstil. Wo sich heute mal mehr, mal weniger begnadet gestaltete Hochhausblöcke gen tiān (‘tienn’ – Himmel) recken und ihren betonierten Charme versprühen, fand man bis vor 20Jahren fast ausschließlich die traditionellen chinesischen Wohnareale: Den Hutong.

Man kann es verstehen, dass Stadplaner schnell ein großes X auf ein Hutongebiet malen, wenn man bedenkt, dass auf der Fläche von ein bis zwei dieser Wohnhöfen ein Hochhaus gebaut werden kann, dass 30 oder mehr Parteien beherbert. Dennoch kann kein Hochhaus dieser Welt auch nur im Ansatz das Wohngefühl eines um einen Innenhof gebauten Gebäudekomplexes ersetzen.

Einen ausführlichen Hutongbesuch wird es in den kommenden Monaten noch geben. Hier nur einige wenige Einblicke aus dem in der Beichang Street, nordwestlich des Tian’anmen Platz, an dem ich vergangenen Samstag zufällig vorbeigekommen bin.

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Benimmsisch für Anfänger (1)

Montag, Dezember 8th, 2008

Hallo und herzlich Willkommen zum ersten Teil unseres Kurses ‘Wie werde ich ein waschechter Chinese’. Im Verlaufe dieser mehrteiligen Informationsveranstaltung möchten wir Ihnen den Habitus des Mittelreichbewohners nahebringen, um Sie für Ihren Erstbesuch diesseits der Erdkugel zu rüsten und Ihr Auftreten an die lokalen Gepflogenheiten anzupassen.

Unser heutiges Thema: Der korrekte Gruß im öffentlichen Raum.

Höflichkeit und gegenseitige Rücksichtnahme sind unverzichtbare Attribute für ein gesellschaftlich akzeptables Miteinander. Auch im gelben Land mit der roten Fahne wird viel Wert auf eben diese Tugenden gelegt. Die Wertschätzung völlig fremder Mitmenschen erreicht hier für westliche Maßstäbe unbekannte Höhen. Vergessen Sie das Überdecken kleiner Pfützen oder schmutziger Straßenabschnitte mit ihrem Mantel. In China belächelt man derart gutgemeintes Kavaliersverhalten. Hier geht man so weit, den Boden vor Ihnen rein zu waschen. Man möchte Ihnen damit die Stadt zu Füßen legen und wird es Ihnen hoch anrechnen, wenn Sie mit gleicher Münze zurückzahlen. Und das machen Sie wie folgt:

Keine Angst, Sie müssen nicht mit einem Schrubber und einem Eimer Wasser umher wandern. Ähnlich wie in westlichen Kulturkreisen das ‘Küss die Hand’ oder das Ziehen des Hutes zur leichten Andeutung stilisiert wurde, deuten Sie Ihr wohlerzogenes ‘Ich wasche den Boden rein vor Ihnen’ lediglich als simple Höflichkeitsgeste an. Sie schmettern einfach einen möglichst großen Rotzfladen direkt vor die Füße der zu komplimentierenden Person. Hocherfreut wird er seinerseits der Tradition folgen und über den von Ihnen ausgebrachten Gruß steigen, wobei er Sie still und leise für ausgesprochen umgänglich halten wird. Insbesondere, da Sie aus einer fremden, in dieser Hinsicht als unflätig betrachteten Hemisphäre stammen.

Vor Würdenträgern, hochgestellten Persönlichkeiten oder schlicht von Ihnen hochgeschätzten Personen können Sie dieser Geste noch zusätzlich Ausdruck verleihen, indem sie die ‘Materialsammlung’ zu dieser Handlung so geräuschvoll wie möglich gestalten. Geben Sie den Anschein, als müssten Sie Ihre Freundlichkeit beinahe aus den Tiefen Ihrer Fußspitzen zu Tage fördern. Dies entspricht im maoistischen Kulturkreis in etwa unserem ‘Das letzte Hemd geben’. Beachten Sie dabei jedoch die wichtige 5 Sekunden Max-Regel (5smr). Ein durchgängiger Sammelton sollte nach Möglichkeit nicht länger dauern, darf dann jedoch bis zu dreimal wiederholt werden, sollte sich noch keine ausreichende Höflichkeit angesammelt haben. Ein Überschreiten der 5smr wird in der Regel als Heuchelei ausgelegt.

Kennen Sie die Person bereits sehr lange oder möchten Sie sich aufgrund des Umfelds einer legeren Variante bedienen, können sie die Kurzform wählen. Dabei kreuzen Sie den Weg der zu bedenkenden Person und stoßen auf ihrer Augenhöhe einen mittellauten Rülpser aus. Sind Sie jedoch unsicher und fühlen sich auf dem fremden Kniggeparkett noch nicht wohl, binden Sie sich einfach eine OP-Maske um. Dies signalisiert ‘Ich bin mir der fremden Gepflogenheiten bewusst, möchte jedoch keinen Fauxpas begehen und enthalte mich als stiller Beobachter’. Diese Entscheidung wird gemeinhin zumindest außerhalb von Gebäuden akzeptiert und schützt Sie zugleich noch vor Smog und Kälte.

Ja, sie haben ein ausgeklügeltes System, unsere fremden Freunde. Wir können viel von ihnen lernen.

Alle Jahre wieder: 圣诞节市场 (shèng dàn jié shì chǎng)

Montag, Dezember 1st, 2008

Wenn die Bäume sich mit Lametta bewerfen und Kerzen konspirativ zu Vierergrüppchen zusammenrotten, dann steht er vor der Tür, der Erstgeborene im Sternzeichen des Advents. Und wie wir hörten, findet am Samstag vor eben diesem Tag in Chinas deutschen Botschaften das statt, was man zuhause wochenlang erschlürfen und ermampfen darf: Der Weihnachtsmarkt.

All überall auf den Pagodenspitzen sah ich nichts besonderes blitzen. Zumindest während der Taxifahrt. Aber als wir um die Ecke bogen, die verzäunte Minirepräsentanz der Heimat vor Augen, da staunten wir nicht schlecht. Es müssen etwa 60m Warteschlange in Viererreihen gewesen sein, die ungeduldig auf Einlass in den bereits vollen Innenhof der Botschaft warteten. Torsten fand sehr treffende Worte, in dem er es mit ‘Bananenausgabe in der DDR’ beschrieb (der darf sowas sagen). Und wirklich standen sie alle sehr brav an, die Peters und Achims, Tanjas und Mareikes. Aber es waren auch überraschend viele François’ und Julies, Jasons und Shirleys dort. Alle mitsamt angefreundeten, angeheirateten oder sonst wie verbundenen fröhlich hüpfenden Chinesen.

Die bunte Kulturmischung schob sich zwischen den kleinen Blockhütten und Ständen so selbstverständlich hindurch, als stünde man gemeinsam vor den Alsterarkaden, statt eingezäunt auf diplomatischem Grund und Boden auf der B-Seite der Erdscheibe. Freimütig auf deutsch einen Glühwein (am Siemens-Stand!) zu bestellen gestaltete sich zunächst etwas schwierig. Der Kopf, seit zwei Monaten an Fremdländisches gewöhnt, versucht im ersten Moment hektisch zwischen Englisch und Chinesisch hin und her zu schalten, und so bringt er ob der Irritation die fehlerfreie Bestellung nur mühsam hervor. Aber dann ist es fast wie zuhause. Sogar Becherpfand durfte man bezahlen. Ein nostalgisches Detail.

Und so haben wir uns das bunte Treiben mit einem Gefühl angesehen, das irgendwo zwischen heimischer Vertrautheit und stolzem Staunen über die Internationalität dieser Veranstaltung rangierte. Bei strahlendem Sonnenschein und 14°C, umringt von Sprach-Ratatouille und acht deutschen Köstlichkeiten auf dem Weihnachtsteller zeigt sich das Leben von der besten Seite. Leider nur eine halbe Stunde, da die Arbeit rief. Aber besser als nichts. Eine frohe erste Adventwoche euch allen.

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