Nummer 4 lebt oder Der Haken an der Sache

Oktober 7th, 2009

Die Zahl Vier ist eine ganz unglückliche in China. Man meidet sie, wo man kann. Aus Stockwerken wird sie herausgestrichen und Telefonnummen mit ihnen will niemand haben. Zwei Vieren sind dagegen schon besser. Sie ergeben zusammen acht und das ist im Gegensatz zu seiner Hälfte die wichtigste Glückszahl. Telefonnummern kosten pro Anzahl der enthaltenen Achten immense Aufschläge.

Ich frage mich dabei, ob das erfolgreiche Spiel “Vier gewinnt” wohl in China verkauft wird und ob das Gewinnen mit einer Vier tiefenpsychologische Auswirkungen auf Herrn Lis kleinen Bälger hat.

Auf Symboltracht wird jedenfalls viel Wert gelegt in China. Die Eröffnung der olympischen Spiele am 08.08.08 galt zum Beispiel als großes Zeichen. Und dann haben sie ja auch prompt die meisten Medallien abgeräumt, die guten garantiert mindestens 16jährigen Sportlerchen mit den international abgeschotteten Dopingkontrollen.

Der 09.09.09 war auch so ein Symboltag. Die 9 hat wie die 8 stark positiv aufgeladene Bedeutung. Vereinfacht könnte man sagen, sie steht für langes Glück und Liebe in der Ehe. So waren dann auch Anfang letzten Monats die Standesämter 24 Stunden lang geöffnet. Und man drängelte sich dementsprechend, um ja von den guten Vorzeichen zu profitieren.

Warum ist denn aber nun eigentlich die 4 so unbeliebt? Das erklärt sich fix über die Sprache. Die Zahl wird sì ausgesprochen, wobei der kleine Akzenthaken zeigt, das man den Tonfall hart, kurz und nach unten gehend anzusetzen hat. Auch ist es kein langes iiii, sondern ein komprimiertes, wie am Anfang des Wortes ‘immer’.

So weit so gut, aber nun zur unschönen Ähnlichkeit mit dem Wort “Tod”. Dieses wird sǐ ausgesprochen. Der Haken zeigt, dass der Ton zunächst ebenfalls von oben nach unten geht, dann aber, einem Hasenhaken gleich, wieder zurück nach oben schlägt.

Diese beiden Wörter haben nun anheblich so viel Ähnlichkeit, dass man lieber die Finger von der Vier lässt. Besser, man fordert sein Glück nicht heraus.

Für einen Ausländer ist das aus zwei Gründen schwer nachzuvollziehen. Zum einen der dort mitschwingende Aberglaube. Da könnte man noch zur Verteidigung der Chinesen unsere Aversion zur 13 nennen, schwarze Katzen usw.
Zum anderen aber etwas, das jeder kennt, der schon einmal einem chinesischen Taxifahrer ein Ziel nennen musste. Man spricht ein Wort zu hoch aus, zu tief oder hebt am Ende die Stimme, weil man unsicher ist und schon denkt der, man will zum Bahnhof, weil er mehr als das nicht versteht.

In Deutschland weiss man, dass einer zur Post will, ob er das nun hoch, tief, fragend oder sogar Po-host ausspricht. Nicht so der Herr Li. Der ist tonal sehr empfindlich.

Wenn man aber derart stark auf Tonfälle reagiert, dürfte einem doch auch zwischen sì und sǐ praktisch keine Verwandschaft im Ohr klingeln oder etwa nicht? Nunja, alles Reden hilft nichts, die Vier ist und bleibt böse böse.


Warum erzähle ich überhaupt den ganzen Graf Zahl Kram? Wegen der neuen 21. Das ist keine weitere bedeutungsschwangere Zahlenkombination, sondern die Anzahl der neuen U-Bahn Haltestellen. Vor wenigen Tagen hat man in Peking eine neue Linie eröffnet, die im Westteil der Stadt von Norden nach Süden verläuft. Mal eben komplett durch. Bauzeit laut meinen Informationen nur zwei Jahre.

Diese Linie macht es zum ersten Mal in der Geschichte möglich, den berühmten Sommerpalast ohne aufwändige Busreise oder teure Taxifahrt zu erreichen. Dieser Sommerpalast, vormals die kaiserliche Residenz in den wärmeren Monaten des Jahres, ist ein bedeutungsvoller Teil der chinesischen Geschichte und zählt zum Stolz der Stadt.

Und jetzt die große Verwunderung: die neue U-Bahnlinie, topmodern und eine wichtige Verkehrsader trägt doch tatsächlich und wie selbstverständlich die Ziffer Vier.

Da macht also eine ganze Kultur mächtig Trara wegen so einer Unglück bringenden Zahl und dann schreiben sie diese an die erste Bahnlinie der Geschichte, die direkt zum kaiserlichen Sommerpalast führt. Man hätte doch auch eine andere noch freie Zahl nehmen können, wäre niemanden aufgefallen. Die Nummerierung der Linien folgt derzeit doch sowieso keiner nachvollziehbaren Logik: 1, 2, 4, 5, 8, 10, 13.
Die 6 wäre doch ganz nett gewesen.
Wir wollen nicht abergläubisch sein, aber wenn da mal alles gut geht…

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