T-Time

Oktober 2nd, 2009

Ich hatte ja schon angedeutet, dass ich zur Stunde der Jahrhundert-Feier nicht anwesend sein würde. Und so ist es denn auch. Landesflucht vor der grossen 60. An die Stelle Chinas tritt ein anderer von inneren und äusseren Spannungen gezeichneter Teil Asiens: Thailand.

Der aufmerksame Leser erhebt natürlich in diesem Moment den Streberfinger und merkt an, dass ein Bericht über Thailand ja nichts in einem China-Blog zu suchen hat. Dachte ich zunächst selbst. Dann aber fiel mir eine bislang übersehene Tatsache auf: Thailand ist nicht Deutschland.

Bevor mir jetzt der totale Realitätsverlust nachgesagt und mein Pass heimlich gesperrt wird, muss ich diese Aussage kurz erläutern:
Bislang war es mir nur möglich, Herrn Li und die Mitglieder des roten Bundes der würfelnden Trinkgenossen im direkten Vergleich China vs. Deutschland zu sehen. Harte Kontraste, scharfe Ecken und viel Blitzlicht inklusive. Das gewöhnt sowohl den Schreiberling als auch den geduldigen Buchstabenzähler an eine ganz bestimmte frontale Sichtweise.
Nun aber, aus dem Reich König Bhumibol Adulyadejs bekommt alles ein farbenfrohes Licht quer von der Seite. Dem geht’s ja nebenbei zum Glück seit gestern auch schon wieder etwas besser, nachdem er die vergangenen Tage etwas angeschlagen war.

Ist Herr Li mit einem Mal einer von vielen? Sind sich womöglich Milliarden Asiaten derart ähnlich, dass die eigentlich Seltsamen wir Sauerkrauts sind? Muss sich der Blog in Zukunft viel eher mit der sich der Wirklichkeit entziehenden deutschen Mallorca-Kultur beschäftigen?

Aber fangen wir doch vorne an.
Beim Aufsetzen der Boeing auf dem Flughafen steht nach wie vor der Eindruck, der sich beim ersten Betreten der Kabine gebildet hatte: alles so freundlich hier. Und so bunt. Die Stewardess, ‘tschuldigung Flugbeiwohnerin, legt die Handflächen vor der sehr sehr kleinen Nase zusammen, neigt den Kopf und mit ihm ein wenig den Oberkörper und wünscht einen angenehmen Aufenthalt. Dasselbe tun alle ihre Kolleginnen und Kollegen, sobald man sie ansieht. Der Tourist beweist, dass er ein solcher ist und kann zur Erwiderung nur dümmlich, weil ungewohnt, grinsen. Dabei legt er eine unsichere und wenig entschlossene Teil-Nickbewegung der linken Kopfseite hin und sieht damit so aus, als habe er sich während des 4,5 stündigen Fluges verlegen. Na, die Geste zählt. Hoffentlich hieß das jetzt nichts komisches.

Auf der Rampe zwischen Flugzeug und -Hafen schlägt ihm die erste Vorahnung dessen entgegen, was ‘ein schöner Aufenthalt’ bedeuten könnte.
Bangkok, 34 Grad, 95% Luftfeuchtigkeit, das Haar schwitzt.

Bangkok

Und was ist der allererste bleibende Eindruck dieser Stadt mit dem orientalisch anmutenden Namen? Richtig-ein ordentlicher Ohrwurm.
Als Kind der 80er muss ich schames- und sonnenbrand-rot zugeben, dass ich stundenlang nichts anderes als ‘One Night in Bangkok’ im Kopf hatte. Rauf und runter gedudelt, die alte Scheibe. Nicht ganz unschuldig an dieser Tatsache dürfte der Umstand sein, dass wir wirklich nur eine einzige Nacht dort verbringen wollten, um anschließend die Inselparadiese weiter südlich im Land anzusteuern.

Nach mehrmaligem Ein- und Auschecken in verschiedenen Hotels verfestigt sich langsam aber sicher ein ganz bestimmtes Bild: so wie die Chinesen sind bei weitem nicht alle Asiaten. Kein Gehupe, kein Gespucke, man unterhält sich respektvoll leise, um andere nicht zu stören und überhaupt sieht alles deutlich westlicher und moderner aus.

‘Von Deutschland aus liegt Thailand ja gefühlt viel näher als China’ sagte letztens noch ein guter Freund. Es scheint zu stimmen. Deutscher Biergarten, alles fein sauber und Englisch können sehr viele sehr gut. Irgendwann meinte sogar Amanda ‘da hat Peking aber noch einen weiten Weg vor sich’. Da guckste.

Man kommt nicht umhin, sich zu fragen, wie Herr Li heute wäre, hätte es nicht Maos Abgrenzung von der Aussenwelt gegeben, hätte das Land sich in seiner Gänze den vorhangoffenen Vorbildern Hong Kongs und Shanghais angeschlossen. Eine andere Welt. Und doch: ein Spanier wird auch nicht zum Schweden, nur weil er Volvos baut.

Die weiche, gefällige Art der Thais ist meilenweit weg vom geltungsbedürftigen, im Mittelpunkt stehen wollenden Chinesen, dessen Art mehr Ähnlichkeiten zu südosteuropäischen Volksweisen hat. Ob Weltoffenheit daran etwas geändert hätte?

Ja, es deutet aber auch so rein gar nichts auf Gemeinsamkeiten zwischen hie und da hin. Sie fahren nicht einmal auf derselben Strassenseite.

Sicher kann man nach wenigen Tagen keinen verlässlichen Bericht über eine Kultur geben. Aber um die Thailänder geht es in diesem Blog ja auch nicht. Ein paar Tage sind immerhin genug, um eines zu wissen:
Der Herr Li ist nicht nur ein ganz besonderer, er hat auch eine recht große Nase.

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