Archive for April, 2009

Schockierende Kultur der alten Hauptstadt

Sonntag, April 26th, 2009

Ja, nein, doch, nee, jetzt wieder und futsch. So oder so ähnlich könnte man den geschichtlichen Ablauf des Namenszusatzes ‘Hauptstadt’ für die Stadt Xi’an beschreiben.

Man ist halt sehr entscheidungsfreudig. Immer wieder. Und nicht jeder Kaiser ist mit der Auffassung seines Vorgängers einer Meinung. (man kennt das ja von SPD und CDU).

In den historischen 5 Minuten, die Xi’an jetzt gerade mal nicht Hauptstadt ist, waren zwei Reiselustige vor Ort, schwer bewaffnet mit Stativ und Kamera. Von den verbuddelten eintönigen Kriegern haben wir an dieser Stelle ja bereits gelesen und so soll es jetzt einmal um den Rest der Stadt gehen.

Auf dem Weg vom Flughafen in die Innenstadt macht sich per Nackenhaar-La Ola Welle das Gefühl von ‘weig weg’ breit. So muss Novosibirsk aussehen. Die Taxameter-Kutsche passiert reihenweise verlassene und verfallene Industriegebiete, die aus einer Mad Max Kulisse zu stammen scheinen. Über allem liegt eine dicke Schicht Staub und Sand. Endzeit.

Xi'an StadtmauerAls die ersten Ausläufer der Stadt beginnen, ändert sich nur die Fülle auf der Straße. Die Umgebung behält ihre Unnatürlichkeit, nun im Austausch mit verfallenen Bürohochhäusern. Zwischen diesen Billboards mit quadratmetergroßen Beautyshots der neuesten 911er und S-Klasse Modelle. Ach ja, in Xi’an soll angeblich viel Geld zu machen sein. Abgesehen von den Plakaten deutet wirklich rein gar nichts darauf hin.

Wir erreichen das Westtor der alten Stadtmauer und mit einem Mal ändert sich alles. Hinter dem 12m Ungetüm (der Chinese liebt Mauern über alles so scheints) wird alles besser. Zwar ist es noch immer weit von der Modernität Pekings oder gar Shanghais entfernt, aber der Begriff Zivilisation lässt sich hier eindeutig ungestraft verwenden.

Xi'an Große WildganspagodeWir machen uns auf den Weg die Stadt zu entdecken. Auf die Mauer rauf, kulinarisch das muslimische Viertel erfuttern, eine Antiquitätenstrasse bebummeln und die große Wildganspagode besuchen. All das ist in der Fotogalerie zu bewundern.

Es gäbe noch viel mehr, aber dafür reichen drei Tage nicht. Es ist doch spürbar, dass so eine alte Hauptstadt eine ganze Menge Kultur anhäuft, wenn sie die 1000 Jahre Existenz überschreitet. Und doch ist vieles noch so ursprünglich geblieben, wie es vor langer Zeit einmal gewesen sein muss.

Eine rauhe Stadt ist es, die daran erinnert, dass der Großteil Chinas relativ arm ist. Und eine Stadt mit der größten Dichte an Wedding-Shops, die ich je gesehen habe. Wirklich schick ist sie nicht. Andererseits aber auch nicht wirklich hässlich. Alles in allem lohnt sie sich. Zumindest wenn man mal in der Nähe ist.

Die deutsche Partnerstadt von Xi’an ist übrigens Dortmund. Als verwöhnter Hamburger kann ich da in der Tat einige optische Verwandtschaften erkennen.

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Ich fühl mich gar so gelb – Ein Märchen

Mittwoch, April 22nd, 2009

visa

Druckfrisch und fingerabdruckfrei liegt sie vor mir, die ‘Alien Work Permit’. Zugegeben, eine wirkliche Überraschung ist es nicht, dass man mich hierzulande als ‘Alien’ bezeichnet. Ein wenig ausserirdisch fühle ich mich in der Tat. Und sogar die Augen sind größer als beim durchschnittlichen Erdenbewohner um mich herum.

Dieses aber nun mit Brief und Siegel bestätigt –und genehmigt– zu bekommen, ist schon eine Freude. Die lange Odyssee nach dem großen Z ist somit voraussichtlich für die nächsten 12 Monate pausiert. Welch herrliche Herrlichkeit. Zur Freude aller werde ich eben jene ‘Reise nach Z’ einmal zum Besten geben. Damit wird dieser Beitrag der längste, den der Blog bislang zu Gesicht bekommen hat. Also bitte einen Kaffee holen, die Kekse bereit legen und mit aufgerissenen Augen die Novelle verschmökern.

Wir schreiben den 11. September 2008.

Ein geschichtsträchtiges Datum.

Während die Welt nach Westen blickt, um den Amerikanern beim Abschluss des verflixten siebten Jahres nach 9/11/2001 zur Seite zu stehen, drängelt sich eine Kurznachricht aus Osten durch das Internet. Vorbei an zahllosen Hubs und Switches, Proxyservern und Mainframes landet sie direkt auf meinem Monitor und erblickt das sonnige Herbstwetter Hamburgs. Diese Nachricht hat lebensverändernde Qualität. Es ist die Einladung zu einem Job ein wenig östlich von Rahlstedt – in Peking.

Da dies ein Blog über China ist, weiss eh jeder, wie die Geschichte weiter geht. Nur so viel sei gesagt: Die Mitteilung kam zur rechten Zeit. Und nach ausgiebigem Abwägen von Für und Wider tickerte nach 1,3256 Sekunden auch meine Zusage auf gleichem Weg auf die andere Seite der Weltkugel.

Zweieinhalb Monate waren für den Auslandseinsatz angesetzt. Eine Zeitspanne, für die man nicht sehr viel in Bewegung bringen muss. Eine Wohnung und ein Auto können zehn Wochen lang auf sich selbst acht geben, Freunden darf man noch getrost ein ‘bis bald’ zurufen und nicht einmal die Zeitung muss man abbestellen, denn die liest man in unserer Generation sowieso nur noch online.

Flugs ein paar Passbilder gemacht und zusammen mit dem kleinen roten Buch (wir sprechen hier trotz Themennähe nicht von Maos Werken) in die treuen Hände der Bewilligungsstempler gegeben. Diese verzieren den Existenznachweis sogleich mit lustigen Stempeln und Aufklebern und los kanns gehen.

EUDer Europäer ist hier ja ein wenig verwöhnt, benötigt er doch in seinem Gehege praktisch niemals derart offiziell anerkannte Fortbewegungserlaubnis.

Dieses winzige Detail soll uns in unserer Geschichte noch einige Male zu denken geben. Denn wer die Problemlosigkeit des Genzübergangs nach Frankreich oder Grossbritanniens gewohnt ist, der tut sich mit allem schwer, was nun folgen soll.

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Glücksbehausung

Dienstag, April 21st, 2009

_mg_9532Da ich der Frage

“Wie wohnt man eigentlich in China?”

nicht länger aus dem Weg gehen konnte und der Aufklärung der Welt unter die Arme greifen möchte, habe ich mal für alle Interessierten ein paar Fotos und ein Rundumsicht-Video zusammengestellt, die ihr Bestes tun, um eben diese Frage zu beantworten.

Wer genau hinsieht, kann dabei sowohl den hauseigenen Aston Martin Händler, wie auch das brennende Mandarin Oriental entdecken.

Hier also fröhlich ein paar Eindrücke des Fortune Plaza Apartment Gebäudes, das verkürzt einfach ‘Home’ heisst. Zumindest für manch weit Gereisten.

Auf der Karte Pekings ist das ganze im Übrigen hier zu finden.

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Harmonisches Ton in Ton der exhumen Agressionsprävention

Dienstag, April 21st, 2009

Welch Titel, oh Prosa! Was soll, mit Verlaub, sich dahinter verbergen? Nun, es ist der Versuch, dem ursprünglichen Titel ‘Soldatenfuzzis aus Steinzeug’ ein wenig Glitter und Glamour zu verleihen. Und das nicht ohne Erfolg, wie ich finde.

chinaAber zur Sache, Schätzchen. Es begab sich zur Zeit des chinesischen Neujahres Ende Januar, als sich zwei Reiselustige auf den Weg nach Xi’an (Karte) machten, um mit eigenen Augen zu sehen, was jeder aus unzähligen Bildern kennt und eine chinesische Weltberühmtheit darstellt: Die Terrakotta Armee.

Die Situation: Der erste chinesische Kaiser Qín Shǐhuáng Líng stösst sich 221 v. Chr. im Teenageralter nach ordentlichem Saufgelage mit ein paar Kumpels höllisch den Kopf bei dem Versuch, den geschraubten Salto ins Bett zu erfinden. Schmutzige Lieder lallend dämmert er ins Reich der wirren Träume. Die schmerzende Megabeule links über der Augenbraue lässt im Zuge der einsetzenden REM-Phase im hinteren Frontallappen ein Licht aufgehen. Kaiser QinshihuangAm nächsten Morgen erwacht Schorsche mit einer beunruhigenden Vermutung: Sein Leben könnte, so kaiserlich es auch sein mag, doch nicht endlos sein.

Also fackelt er nicht lang und gebietet, dass man ihm bei der Vorbereitung auf ein eventuelles Ableben zur Hand gehen möge. Knapp 1,4 Millionen Hände wurden es dann auch, die mehr oder weniger freiwillig bereit waren, ihm zu helfen. Um sich und seine Macht besorgt verfügt der kleine Wüterich, dass man ihm eine Armee zur Seite stellen solle. Diese würde es ihm auf der anderen Seite der Lebenslinie ermöglichen, sogleich für eine territoriale Vormachtstellung zu kämpfen. Sprachs und schritt zum Angrillen.

Die helfenden Helfershelfer halfen von da an, ganze 56 Quadratkilometer mit einem Wahnsinn zu bestücken, der seit Ende der 1980er Jahre als UNESCO Welterbe gilt. Man vermutet, dass sich eine Gesamtzahl von über 7.000 aus Ton gefertigten Soldaten in Lebensgröße in diesem Areal unter der Erde herumdrücken. Aber auch Pferde und Streitwagen, mitsamt allem Zaumzeug und Waffen. Bislang sind knapp über 1.000 dieser Figuren freigelegt worden.

Terrakotta KriegerAuf den ersten Blick scheint das alles nicht sonderlich viel neues, und es hat wohl jeder bereits unzählige Bilder dieser steinernen Zeitzeugen gesehen. Wenn man ihnen jedoch gegenübersteht, Auge in Auge sozusagen, begreift man zum ersten Mal das Gewicht des kleinen Satzes ‘keine zwei Krieger sind sich gleich’.

Die Detailarbeiten reichen bis zu den Augenbrauen und Hosenfalten, und wirklich jeder Gesichtzug, jede Statur und Frisur ist anders. Aber nicht mechanisch anders, sondern so realitätsnah wie es kaum ein Foto abzubilden vermag. Offiziere, Bogenschützen, Rekruten – sie alle tragen individuelle Uniformen und Rüstungen. Und sie alle haben ihren ganz individuellen Gesichtsausdruck. Es sind keine bloßen Steinfiguren, sondern in einer Momentaufnahme eingefrorene Existenzen, deren unterschiedliche Lebenserfahrungen sich auf den Gesichtszügen ablesen lassen. Da steht einer mit stolz geschwellter Brust neben einem anderen, der sich tagträumend fragen mag, weshalb er der Armee beigetreten ist. Ein anderer scheint leicht zu lächeln, als freute er sich, so weltberühmt zu sein.

Man kann sie immer wieder anschauen und niemals verlieren sie ihre Lebendigkeit, mögen sie auch noch so still und stolz ihren Mann stehen. Am erstaunlichsten aber ist wohl, dass diese Ausgrabungsstätte noch immer am Anfang ihrer Aufgabe steht. Der größte Teil liegt noch verborgen und auch das Grab des Kaisers ist noch nicht geöffnet. Die Welt wird hier noch viel zu entdecken haben.

Xi'an Terrakotta Armee

Von all dem würde heute im Übrigen niemand etwas wissen, hätte nicht 1974 ein örtlicher Bauer genug von der Dürre gehabt und nach Grundwasser gegraben. Die Quelle, auf die er stieß enthielt unendlich viel mehr Geschichte als Wasser, womit wieder bewiesen wäre, dass die dümmsten Bauern die dicksten Kartoffeln hervorholen können.

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1/2 , 6 , 26 , 182

Dienstag, April 14th, 2009

Nein, das sind weder Bingo-, Lotto-, oder Rennquintett-Zahlen, noch die nächste zu fürchtende Unglückszahl der laufenden Lost-Staffel, sondern eine Aneinanderreihung verschiedener zeitlicher Ausdrucksweisen, die allesamt dasselbe beschreiben.Visum Nr. 1

Wir begegnen heute einem kleinen Meilen-Kiesel. Vor genau 6 Monaten landete SK 993 der schwedischen SAS um 12:55 Ortszeit auf dem größten Flughafen der Welt in Peking. An Bord vier kleine Abenteurer, die mit großen Augen aus der Blechzigarre wankten:

- “Die wollen, dass ich vier Monate bleibe, aber ich bleib nur drei. Ätsch.” – Hannes

- “Du, wir sind in Peking” – Kay

- “Ja suuper, ich finds klasse!” – Claudia

- ” Hammer” – Maik

Ein Staunen und Raunen vor dem Büro

Zwei Meikes waren schon da, ein Hell Dlalle kam nach, dann ein Torsten, und lustig ward die Rund. Ein Hannes ging, eine Meike hintendran. Dann ein Torsten und noch mal eine Meike.

Heiterkeit und Trübsal liegen halt dicht beieinander, wenn Menschen auf Zeit zusammengeworfen werden. Was bleibt ist die Freude, die Erinnerung und im Fall der noch im Abenteuer befindlichen Auswanderer das neue Leben.

Wir wissen jetzt, wie sich die Mauer anfühlt, dass man Suppe tatsächlich mit Stäbchen isst, es nicht unhöflich ist nach dem Kellner zu brüllen und dass dicke Luft auch ohne Ärger in derselben hängen kann. Emotionale Aufs und Abs, die Hassliebe zu dieser Stadt und das Auseinandersetzen mit dem eigenen ‘Ich’ gehören seit diesen letzten zwei Quartalen zum täglich Brot. Nur wundern nicht. Denn sonst käme man zu nichts anderem mehr.

“Du wirst das Leben hier entweder lieben oder hassen. In jedem Fall, aber wird Deine Stimmung immer wieder stark schwanken” ist das erste, was einem gesagt wird, wenn man dem formlosen Club der Expatriats bei- und das fremde Terrain betritt. Und tatsächlich ist nicht jeder glücklich hier, aber jeder ist glücklich, hier gewesen zu sein. Die einen kürzer, die anderen länger.

Also raus aus dem Haus. Es muss ja nicht gleich so weit sein wie wir hier. Aber wie Opa wohl gesagt hätte “Geschehen kann nur was, wenn man was tut.” Und ich weiss schon, wer jetzt zustimmend nickt.

Hammer. 6 Monate schon rum. Und was kann man nach so langer Zeit schon sagen? Flühlingslolle.

Und das heisst so viel wie ‘jetzt geht’s erst richtig los’.

Wie hiess noch mal das Fest mit dem Hühnerprodukt?

Montag, April 13th, 2009

Little BunniesFast schon dachte ich, Ostern wäre diesseits des Logik-Äquators gänzlich unbekannt. Keine Schoko-Eier in den Supermärkten, von Hasen keine Spur und da es für Starbucks keine Ostermusik zu spielen gibt, auch dort Fehlanzeige.

Doch dann, an einem arbeitsreichen Wochenende im April läuft der verlaufene Touri am örtlichen internationalen Kindergarten vorbei und entdeckt nebenstehende Szenerie.
Tiny Bunnies

Da bleibt man schon mal stehen, seufzt ein ums andere Mal und bewundert die sich darbietende Familienromantik, komplett mit Körbchen, Ohren und kleinen Kanninchen. (allerdings in wenig tierlieben mikroskopischen Käfigen)

Und wenn man sich schliesslich vom sentimentalen Anblick losgerissen und das ganze dann begeistert zuhause erzählt, bekommt man am Ende eines langen Arbeitstages eine unerwartete Frühlings-Überraschung frei Haus: das erste erwachsene Ostereiersuchen in Chinaland nachts um kurz nach zwölf. Was will man mehr?

Such, Fremder, suchOh, und ich habe meiner alten Form selbstverständlich alle Ehre gemacht und die komplette Eierei innerhalb von 15min zusammengefunden. Na, es geht doch noch!

Andere Essensgewohnheiten

Montag, April 13th, 2009

Delivery and I'm lovin' itJajaja, jetzt denkt wieder jeder, es ginge um Würmer, Ratten und Hunde. Aber mitneffen, wie der große berühmte Dichter aus Wellingsbüttel so treffend hinten gereimt hat.

Diese Winzigkeit eines Blog-Posts widmet sich der Differenziertheit der Wahrnehmung von Restaurantketten.

So wird Pizza-Hut hier als gehobenes westliches Restaurant wahrgenommen. Es ist zudem beinahe unmöglich, ohne Reservierung einen Tisch dort zu bekommen und das Interieurdesign hat ungesehene Qualität.

Burger King gibt es auch in Peking. Ein einziges Mal – nur am Flughafen. Dafür trifft man überall auf Starbucks und Subway.

Ja und das beste überhaupt – McDonald’s liefert. Wenn ich es nicht fotografiert hätte, glaubt mir das zuhause doch kein Mensch!