Ein Dröhnen über den Köpfen, Knattern auf der Straße, Spannung in der Luft. Drei Tage vor dem großen Ereignis steht die Welt kopf im Lande Confuzius. Am Donnerstag wird es soweit sein, dann zeigt China sein strahlendes neues Machtgesicht: Über den Tian’anmen Platz vor der verbotenen Stadt werden tausende Füße marschieren, riesige LKW-Reifen und harte Ketten die Beständigkeit des Asphaltes testen. China wird 60 und alle freuen sich. Gefälligst.
Blumen überall. An jeder Straßenecke, vor jedem großen Gebäude. Blumen, Blumen über Blumen. Meisterlich angeordnet malen Blütenblätter farbige Glückwünsche in die florale Pracht. Parolen zur Feier der Republik. Lampions und Fahnen tauchen die Stadt in ein tiefes Rot, das bei so manchem Fremdling Erinnerungen wachrufen, die hier nicht erwünscht sind.
Die große Sicherheit hat zugenommen. Polizei an jeder Ecke, SWAT Teams an den großen Kreuzungen und man blickt in entschlossene Gesichter hinter Stahlhelmen und Repetiergewehren mit aufgestecktem, ungeschützten Bajonett. Gepanzerte Einsatzfahrzeuge mit eingelassenen Schießscharten lassen erahnen, was das Motto des Festes sein dürfte: Wir lassen uns das Feiern nicht vermiesen. Von niemandem. Hossa.
Peking ist durch drei Kontrollringe von der Aussenwelt geschützt. Wer in die Hauptstadt möchte, muss entweder per ID beweisen, dass er dort wohnt oder einen anderen offiziell beglaubigten Grund vorzeigen, um passieren zu dürfen, während ein Rudel Schäferhunde das Fahrzeug nach Sprengstoffspuren abschnüffelt. Ein entfernter Gruß von der alten Transitstrecke. Fremde sind nicht willkommen und als Ausländer ist man gut beraten, zu allem fröhliche Miene zu machen und bestenfalls seinen Pass mit gültigem Visum immer bei sich zu tragen.
Ja, Aufregung schwebt in der Luft. Und viel Stahl. Donnernd und brüllend sind sie vergangenen Montag auf ihrem letzten Testflug an unserem Büro vorbeigekommen: Die formationsfliegenden Düsenjets und Kampfhubschrauber. Endlose Weiten stolzer Aerodynamik mit eingebautem inneren Rolling Stones Soundtrack. Oder dem chinesischen Pendant.
Parallel dazu walzten sich die Kolonnen der Panzer und Raketenträger über die Chang’an Street. In perfekter Koordination. Es geht voran.
Ich hatte das zweifelhafte Glück, Teile der Paradenwagen zu sehen, die sich für einen Testlauf über die abgesperrten nächtlichen Straßen bewegten. Heroische, kommunistisch inspirierte Farben und Formen waren dort zu sehen. Meterhohe Götzenbilder großer Führer der Vergangenheit und Leitbilder für die Zukunft. Atomraketen aus Pappe zeigen, was man kann. Und wer das nicht verstanden hat, wird spätestens am Donnerstag beim Anblick der realen Artillerie zu Gefühlsausbrüchen hingerissen werden. Welcher Art diese sind, dürfte aber sicherlich kulturbedingt sein.