Die Ordnung der Dinge

Juli 21st, 2010

A kommt vor B. Und Ü noch V. Cz spricht sich zwar wie “Tsch”, findet sich aber dennoch unter C wieder.

Das Alphabet ist schon toll. Nicht nur ermöglicht es uns die verbale und schriftliche Kommunikation, es lassen sich damit sogar völlig neue Wortkombinationen erstellen. Ein Talent des Alphabets weiss man jedoch erst auf der anderen Seite der Erde zu schätzen: es sorgt für Ordnung.

Der Durchblick im Aktenschrank, CD- oder Bücherregal wäre für viele Menschen nur schwer vorstellbar ohne Alphabet. Es erleichtert auch das Durchgehen der Anwesenheitsliste in der Klasse und sorgt für Übersicht im Handy. Sortierung anhand von Vor- oder Nachname? Ein Klick und man weiß, wen man wo zu suchen -und finden- hat.

Was aber, wenn man nicht Tamara und Aaron einsortieren möchte, sondern 静 und 建国? (wir ignorieren hier einmal die Tatsachen, dass in China freilich nicht nach den Vor-, sondern den Nachnamen sortiert wird – sofern man sie denn so bezeichnen kann)

Auf der Suche nach Antwort laufen wir in eine der üblichen chinesischen Fallen: Man stellt eine direkte Frage wie, sagen wir mal: “wie sortiert ihr eigentlich in China?” und findet sich eine knappe Stunde später am anderen Ende einer recht auslaugenden hitzigen Debatte wieder, an deren nicht abzusehendem Ende keine eindeutige Antwort steht.

Dennoch versuche ich hier einmal eine europäische Zusammenfassung:

Die alten Zeiten (knapp 50 Jahre her) sind gottlob vorbei. Damals hatte so ziemlich jeder seine eigene Art zu sortieren, und wir wollen gar nicht erst versuchen, dort eine irgendwie geartete Logik anzusetzen. Heute findet man offenbar hauptsächlich zwei etablierte Systeme: Die Sortierung nach Aussprache und nach Strichzahl.

Ersteres ist leicht verständlich: 静 wird beim alphabetischen J abgelegt, da es “Jing” ausgesprochen wird. 建国 übrigens auch, weil wir hier ausgesprochen “Jian Guo” hören. Leider konnten meine Recherchen nicht in Erfahrung bringen, ob man wie nach abendländischem Verständis den Jian Guo VOR der Jing ablegt oder ob nach dem Anfangsbuchstaben dann alles chinesisch egal ist. Übrigens sortieren wohl auch die meisten Computer-Systeme auf diese Weise die mit chinesischen Schriftzeichen betitelten Dateien und damit zumindest phonetisch nach Alphabet. Es sei denn, sie tun es nicht, was auch vorkommt. Aber warum das manchmal der Fall ist, darauf konnte nun wieder niemand eine Antwort finden.

Ablege-Variation Nummer 2 bezieht sich auf die Anzahl an Linien, die sich in dem ersten Schriftzeichen befinden. 静 findet sich dann also unter 14 und 建国 unter 8 wieder. Für europäisches Verständnis ist dies eine sehr seltsame Vorgehensweise. Aus chinesischer Sicht jedoch ist das eng daran angelehnt, wie man unbekannte Schriftzeichen im Lexikon nachschlägt.

Da auch Chinesen ein Zeichen nicht aussprechen können, das sie noch niemals gehört haben, zählen sie die Striche im Haupt-Teil des Zeichens (wie man den findet, das erschliesst sich nur Herrn Li und den seinigen). In Lexika kann man sich auf diese Weise relativ rasch an das gewünschte Zeichen heranzählen, nachschauen, wie es ausgesprochen wird und welche Bedeutung es hat. Man ist also an die Verwandtschaft von Wort und Zahl gewöhnt.

Einzig, der ordnungsliebende Herr Meyer fragt sich, wie es sein kann, dass zwei verschiedene Systeme parallel existieren. “Da müsste man ja erst schauen, welches System verwendet wird!”. Ja, genau, Herr Meyer. Und Herr Li fügt beiläufig hinzu “Na und?” und kaut weiter an seinem Hühnerfuss aus der Tüte.

Tja, wenn man “Li” mit Nachnamen heisst, dann ist Ordnung nun einmal nicht das halbe Leben. Macht irgendwie auch nichts, die Chinesen scheinen das gut zu überleben. Unser bürokratischer Herr Meyer hingegen hat seine Fassung noch nicht wieder gefunden und bestellt noch ein Bier. Das wird im Chinesischen übrigens genau wie bei uns im Magen abgelegt. Na, am Ende sind wir eben doch nicht so verschieden. Ganbei!

One Response to “Die Ordnung der Dinge”

  1. 459Marc sagt:

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