A Walk in the Park

Mai 8th, 2010

Frisches grünes Blattwerk über dem Kopf, zwitschernde Vögel dazwischen, das gelegendliche Vorbei-Tickern eines Fahrrades und vielleicht ein entferntes Rauschen eines Springbrunnens.

Die Füße entweder auf fester dunkler Erde oder leichtem Schotter, die Nase verwöhnt vom Duft der Bäume, Blüten und Laub.

Ein Spaziergang im Park ist etwas magisches. Es dürfte eines der wenigen Dinge sein, die so gut wie jeder liebt. Er lindert die Stresswunden, nährt die Sinne und beruhigt den Geist, um ihn auf die kommende Woche harten Alltages vorzubereiten.

Man könnte sagen, es ist ein Stück Frieden vom Kuchen des Freiraumes um einen herum. Heiei: Das ist mal bedeutungsschwer.

Menschen im Fahrstuhl, zumindest im Westen, werfen sich gegenseitig ein kurzes Nicken mit dem Kopf zu. Ein Zeichen des Anerkennens des anderen und ein darin verstecktes “ich respektiere ihren privaten Raum”.
Menschen in einem Park dagegen tendieren dazu, anderen mit einem freundlichen “Guten Tag” zu begegnen, wenn diese ihren Weg kreuzen.

Unter diesen hohen Eichen und Buchen zu stehen, so meinen sie, ist der wohl entspannteste Platz auf der Welt.

Oder nicht?

Wenn das eigene Land über eine Milliarde Einwohner hat, aber nur knapp 4 ökonomische Zentren, dann könnte die Sache ein wenig anders aussehen.

In Hamburg, meiner Kurzzeit-Heimat der letzten 15 Jahre, brüsten sich die Menschen gerne mit einem uralten Gesetz, das noch immer inkraft ist: In jeder Strasse der Stadt muss mindestens ein Baum stehen. Deshalb ist Hamburg auch eine der grünsten der großen Städte und besitzt obendrein noch einen ganzen Haufen so richtig grüner Parks dazu. Zum Beispiel den Ohlsdorfer Friedhof, Europas größten.

In China gibt es so ein Gesetzt nicht. Wohl aber muss so etwas wie eine mündliche Vorschrift existieren, die besagt: Auf jedem Fleck einer Stadt haben mindestens zehn Personen zu stehen.

Beijing, Shanghai, Guangzhou und dergleichen sind aus diesem Grund ideale Schauplätze für ein Musikvideo von Michael Jacksons “You are not alone”.

Denn man ist nicht allein. Niemals.

Man muss das so sehen: Eine Stadt von weniger als 3 Millionen Einwohner mag noch nicht einmal durch mehr als einen winzigen Punkt auf der Landkarte repräsentiert sein. Und selbst wenn sie nur knapp 100km weit weg ist, haben evt. manche Menschen der Region noch nie von diesem Städtelein gehört.

In diesem Licht wäre Hamburg mit seinen noch-nicht-ganz 2 Millionen Einwohnern wohl gerade mal eine ausgepägte Kleinstadt ohne Kreissitz.

Das behalten wir jetzt einmal im Sinn.

Wenn man also in China drauf und dran ist, einen Park zu betreten, beginnt es damit, hinter den bereits anstehenden 100 Menschen die Kassenschlange zu betreten. Ja, richtig – um in einen Park zu gelangen muss man zahlen! Und das ist in der Regel 6 Euro und aufwärts, wobei den Naturliebhaber bei diesem Ticket nur der Weg zu den allgemeinen Park-Plätzen offen steht. Sollte es so tolle Features geben wie einen Tempel, ein Gewächshaus, große Steine oder anderes unglaublich bestaunenswertes, dann bitte auf dem Weg dorthin noch einmal die Upgrades zahlen.

Und das Kartenhäuschen-Hindernis war nur der Anfang.

Chinesen gehen für gemeinhin alles andere als spät ins Bett. Das bedingt auf der anderen Seite des Tages, dass sie mächtig früh unterwegs sind, also in jedem Fall früher als man selbst. Hat man also endlich mal den Park erreicht, nach eigener Uhrzeit eigentlich früh, tobt dort schon lange das wilde Leben. Mindestens 5.000 Gleichgesinnte hoppeln bereits umher. Der frühe Vogel trampelt den Wurm platt.

Lärmpegel und Fülle sind in etwa äquivalent zum Trubel vor der Parkmauer, und wo man auch hingeht – es herrscht reges Geplappere, Geschreie, Umhergelaufe und Gefuttere. Eine Rummelplatz-Atmosphäre.

In den glorreichen Zeiten von iPod und Musik-Handys herrscht obendrein eine beeindruckende Dichte von Mini-DJs vor. Und wenn man die winzigen Lautsprecher dieser Geräte zum Verzerr-Plärr-Pegel aufgedreht hat, bedeutet das natürlich vor allem eines: der Besitzer muss schon recht laut die Stimme erheben, um sich mit dem Rest seiner Gruppe verständigen zu können. Man sollte denken, dass er entweder dem Blaster-fon lauschen ODER reden ODER spazierengehen möchte, aber wie so oft sollte man nicht nach Logik suchen.

Bei derart hohen Eintrittspreisen (man bedenke die durchschnittliche Einkommensquote) bleiben die Besucher dann freilich so lang wie möglich, um den höchstmöglichen Nutzen aus ihrer Investition zu ziehen. Sie bringen sogar Zelte mit hinein, um den Besuch in ein ausgeprägtes picknicken-dösen-spielen-dösen-picknicken zu verwandeln und auch ja nicht zu früh nach Hause zu müssen.

Jetzt dürfte der spazierfreudige Leser einwenden, dass es ja immer noch die schatten spendenden Bäume zu bewundern gäbe, die beruhigende Natur und die wunderbaren Düfte. An die können man sich doch halten.

Ja, das wäre schön.

Der Norden Chinas ist nicht eben als wasserreiches Gebiet bekannt. Die nahe Wüste schickt gerne und viel von ihrer trocken-heissen Luft vorbei. Nur wenige Regenwolken schaffen es, sich durch sie hindurch zu mogeln. Deshalb ist die Flora ensprechend sparsam gestaltet. Parks sind deshalb um einiges weniger grün als ihre ensprechenden europäischen Pendants. Das aber hält die Parkleitung offenbar nicht davon ab, überall Schilder aufzustellen, man solle sich vom Grün fern halten. Was denn für ein Grün? Da muss Wunschdenken im Spiel sein.

Freund Chinese ist glücklicherweise leicht zufrieden zu stellen. Man zeige ihm einen halbherzigen dürren Wuchs mit einer Handvoll blattähnlicher Flossen an den Seiten und sage, “das sei tolle Natur”. Er wird es glauben und sich für ein Foto vor allem mächtig in Pose werfen, das nicht unecht aussieht, wobei er so freudig hüpft wie ein Eichhörnchen im Frühling.

Unecht? Jawohl, es GIBT unechte Bäume und Büsche. Wieso? Nun, weil es halt “so schön aussieht”. Is klar. Und wenig Arbeit macht. Made in China und so.

Von den erwähnten klapprigen Bäumchen ist natürlich kein Prachtschatten zu erwarten und man sollte reine romantischen Erwartungen fix wieder eintüten. Am Fuße des Baumes bei lauem Lüftchen die Vöglein bei ihrem Tun zu beobachten – Pusteblume.

Gut, die blühenden Blüten sind zumindest da. Aber man sollte nicht so genau hinsehen. Man stellt sonst möglicherweise fest, dass diese noch in ihren Plastikschälchen stehen und nur zusammengepfercht auf einer Wiese hocken. Einpflanzen ist Einpfältig, weil der Winter zu hart ist, als dass sie im Boden überleben könnten. Warum sich also die Mühe machen, sie in die Erde zu verbringen? So aufgereiht ist es viel einfacher, die vertrockneten gegen neue auszutauschen. Oh, holde Leidenschaft fürs grüne Grün.

Was die Düfte betrifft – man labt sich am wunderbaren Geruch der Haltbarkeitsstoffe von 5min-Terrinen und anderem Schnellfutter, das sich geruchlich als erstaunlich durchdringlich und weittragend gibt.

Aber ich beneide die Chinesen. Hier meckern wir nun wieder eine ganze Weile darüber wie unmöglich es doch sei, unter diesen Umständen Frieden und Ruhe zu finden. Währenddessen gibt die Menschenmenge um uns herum keinen Hühnerfuß darauf. Ganz offenkundig freuen sie sich des Lebens, spielen Federball-Rumtreten, machen haufenweise Fotos mit Peace-Zeichen und kitschigen Posen und tun was immer ihnen in den Sinn kommt. Sie besitzen die Fähigkeit, alles um sie herum aus zu blenden und sich ganz auf sich selbst und ihre Freizeitfreuden zu konzentrieren. Für sie ist dieser Parkbesuch die Erfüllung all ihrer Erwartungen: Er ist ein Platz an dem sie ganz sie selbst sein können.

Und das ist irgendwo etwas, vom dem man lernen kann.
Mist. Schon wieder!

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