Das fängt ja gut an: Fischkopf vs. Fischkopp mit Dehnbarem

Januar 5th, 2010
Heute gehen wir mal so richtig lecker essen!

Dieser Satz steigert ungemein eines der wunderbarsten Gefühle der Welt: Vorfreude. Im Anschluss daran folgt gemeinhin der ein oder andere Vorschlag für den Ort des Geschehens und ein erwartungsfroher Blick auf die Uhr.

Im Mund spielt sich derweil ganz ähnliches ab: aufgeregt laufen die Geschmacksknospen umher und diskutieren wild mit den Armen fuchtelnd, wie man sich bestens auf Rosmarin, Thymian oder Bratkartoffeln vorbereitet. Da wird das Begrüßen der verschiedensten Glukose- und Saccharid-Verbindungen geübt und die LaOla-Welle für den Shiraz.

Im Lande Maos läuft es freilich ganz ähnlich. Auch hier kommt Stimmung auf, und die kleine Schar der Abschmecker gerät ins Frohlocken. Sie haben sich mit den hiesigen Aromen bereits etwas bekannt gemacht.

Einzig wenn man mit einer rein chinesischen Runde auf unbekanntes Restaurant-Terrain gehen soll wird der Langzeittourist etwas vorsichtig. Denn da weiss man ja nie so genau, was die Hand zum Munde führen soll.

Aber Kneifen ist nicht. Und so findet man sich wenig später wieder einmal in einem Geheim-tipp Tempel mit mindestens hundert Tischen wieder. Erneut könnte man jeden Tag an der Eingangstür vorbei laufen ohne auch nur zu ahnen, welch enorme Verköstigungskapazität dort hinter unscheinbarer Tür wartet.

Das geht anderen offenbar auch so – Nach Betreten stellt man fest, dass man der einzig Anwesende ohne chinesischen Pass ist. Da weiss man genau: Aha, das ist ein sehr lokales Lokal und touristisch noch unerkundeter Boden. Die Bestellung überlässt man anderen, weil man sich noch über die Aquarien mit den Schildkröten Gedanken macht. Dass diese nicht der Dekoration dienen ist bekannt. Und so hofft man der Dinge, die da nicht kommen mögen.

Gottlob taucht dann auch kein gehexelter Schildbürger auf. Stattdessen ein Teller mit 40cm Radius. Auf diesem ein großer Haufen Dingens mit viel Zeug. Der lapidar dahin geworfene Ausruf “Fisch” mit Fingerzeig Richtung Megateller beruhigt. Und so greift man fleissig zu. Die kleinen Racker auf der Zunge melden eifrig “töfte Sache” und gehen pflichtbewusst ihrer aromatischen Arbeit nach. Die den Teller umzingelnden Beilagen fragt man gar nicht erst ab, sondern genießt die schmackhafte Wahl. Und das ist sie in der Tat.

Irgendwo Mitte der zweiten Portion wird man ob der zufriedenen Gesichter der Restanwesenden stutzig und fragt halbschlau “Will ich eigentlich wissen, was das ist oder lieber nicht”?

Die Antwort kommt, wie man es befürchtet: “Kommt drauf an. Schmeckt es denn”?

Jedem China-Reisenden in Spe sei hier eine verweilende Sekunde ans Herz gelegt. Man muss seinen eigenen Magen kennen. Würde dieser schwungvoll seine bislang positive Meinung revidieren, wenn er jetzt was ganz komisches hört? Oder bleibt er beim gefällten Urteil, frei nach “wenn andere dies öfters essen, muss es wohl genießbar sein”?

Meiner ist zum Glück Variante B, und damit durfte ich der Neugier nachgeben. Die klang dann auch nicht so schlimm, wie sie es vielleicht vorher noch getan hätte: Fischkopf.

Eingeweide, Flossen, Gräten und Kopf gehören für uns zum fischigen Abfall – deshalb muss man sich an den Gedanken erst gewöhnen. Und auch an die Größe des Kollegen. Manches Huhn wäre froh, ganzkörperlich diese Ausmaße zu erreichen. Es ist viel dran. Erstaunlich viel. Die Gesichtsplatten sind hart und dick wie Muschel-Schalen und Freund Flosse hat deswegen vor dem Servieren bereits hammermäßig einen auf die Nase bekommen. Das dient sowohl dem bequemen Erreichen des essbaren Gutes, als auch dem unauffälligen Passieren der Gesichtskontrolle beim vorsichtigen Fremdländer.
Und er schmeckt…wie Fisch. Nicht der Fremdländer natürlich, sondern das Tellergesicht. Ein bisschen wie Forelle vielleicht. Nur mit besserer Soße. Fazit: dolles Ding. Und Fisch gehört zum Jahresanfang.Glückspotenzial und so.

Gänzlich unfischig, aber nicht weniger unüblich war eine kleine Schale daneben. Darin eine leicht scharfe Soße auf Soja und Balsamico Basis. Und in dieser lagen kleine glasnudel-artige Knäuel. Recht bissfest und ebenfalls ungemein lecker. Hier dachte ich mir die meiste Zeit nichts dabei und vermutete eine vegetarische Kleinigkeit. Als mir einfiel zu fragen, musste ich gleich zweimal insistieren. Die Antwort klang so: “Sehnen. Aus Hühnerfüßen”.

Ach so.

Gut, ich meine, was solls? Nun hatte ich eh schon wiederholt zugegriffen. Und das, weil sie halt mundeten. Ausserdem – wer will sich schon Gedanken darüber machen, wie sie es anstellen, diese Dinger so gänzlich fußlos in eine Schale zu bekommen? Zumindest während des Essens stört das doch nur. Das Fazit: die kann man ruhig mal bestellen.

Bleibt an Herrn Li noch die abschliessende Frage, was so ein Fisch wohl anstellen muss, um dermaßen sein Gesicht zu verlieren?

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