Harmonisches Ton in Ton der exhumen Agressionsprävention

April 21st, 2009

Welch Titel, oh Prosa! Was soll, mit Verlaub, sich dahinter verbergen? Nun, es ist der Versuch, dem ursprünglichen Titel ‘Soldatenfuzzis aus Steinzeug’ ein wenig Glitter und Glamour zu verleihen. Und das nicht ohne Erfolg, wie ich finde.

chinaAber zur Sache, Schätzchen. Es begab sich zur Zeit des chinesischen Neujahres Ende Januar, als sich zwei Reiselustige auf den Weg nach Xi’an (Karte) machten, um mit eigenen Augen zu sehen, was jeder aus unzähligen Bildern kennt und eine chinesische Weltberühmtheit darstellt: Die Terrakotta Armee.

Die Situation: Der erste chinesische Kaiser Qín Shǐhuáng Líng stösst sich 221 v. Chr. im Teenageralter nach ordentlichem Saufgelage mit ein paar Kumpels höllisch den Kopf bei dem Versuch, den geschraubten Salto ins Bett zu erfinden. Schmutzige Lieder lallend dämmert er ins Reich der wirren Träume. Die schmerzende Megabeule links über der Augenbraue lässt im Zuge der einsetzenden REM-Phase im hinteren Frontallappen ein Licht aufgehen. Kaiser QinshihuangAm nächsten Morgen erwacht Schorsche mit einer beunruhigenden Vermutung: Sein Leben könnte, so kaiserlich es auch sein mag, doch nicht endlos sein.

Also fackelt er nicht lang und gebietet, dass man ihm bei der Vorbereitung auf ein eventuelles Ableben zur Hand gehen möge. Knapp 1,4 Millionen Hände wurden es dann auch, die mehr oder weniger freiwillig bereit waren, ihm zu helfen. Um sich und seine Macht besorgt verfügt der kleine Wüterich, dass man ihm eine Armee zur Seite stellen solle. Diese würde es ihm auf der anderen Seite der Lebenslinie ermöglichen, sogleich für eine territoriale Vormachtstellung zu kämpfen. Sprachs und schritt zum Angrillen.

Die helfenden Helfershelfer halfen von da an, ganze 56 Quadratkilometer mit einem Wahnsinn zu bestücken, der seit Ende der 1980er Jahre als UNESCO Welterbe gilt. Man vermutet, dass sich eine Gesamtzahl von über 7.000 aus Ton gefertigten Soldaten in Lebensgröße in diesem Areal unter der Erde herumdrücken. Aber auch Pferde und Streitwagen, mitsamt allem Zaumzeug und Waffen. Bislang sind knapp über 1.000 dieser Figuren freigelegt worden.

Terrakotta KriegerAuf den ersten Blick scheint das alles nicht sonderlich viel neues, und es hat wohl jeder bereits unzählige Bilder dieser steinernen Zeitzeugen gesehen. Wenn man ihnen jedoch gegenübersteht, Auge in Auge sozusagen, begreift man zum ersten Mal das Gewicht des kleinen Satzes ‘keine zwei Krieger sind sich gleich’.

Die Detailarbeiten reichen bis zu den Augenbrauen und Hosenfalten, und wirklich jeder Gesichtzug, jede Statur und Frisur ist anders. Aber nicht mechanisch anders, sondern so realitätsnah wie es kaum ein Foto abzubilden vermag. Offiziere, Bogenschützen, Rekruten – sie alle tragen individuelle Uniformen und Rüstungen. Und sie alle haben ihren ganz individuellen Gesichtsausdruck. Es sind keine bloßen Steinfiguren, sondern in einer Momentaufnahme eingefrorene Existenzen, deren unterschiedliche Lebenserfahrungen sich auf den Gesichtszügen ablesen lassen. Da steht einer mit stolz geschwellter Brust neben einem anderen, der sich tagträumend fragen mag, weshalb er der Armee beigetreten ist. Ein anderer scheint leicht zu lächeln, als freute er sich, so weltberühmt zu sein.

Man kann sie immer wieder anschauen und niemals verlieren sie ihre Lebendigkeit, mögen sie auch noch so still und stolz ihren Mann stehen. Am erstaunlichsten aber ist wohl, dass diese Ausgrabungsstätte noch immer am Anfang ihrer Aufgabe steht. Der größte Teil liegt noch verborgen und auch das Grab des Kaisers ist noch nicht geöffnet. Die Welt wird hier noch viel zu entdecken haben.

Xi'an Terrakotta Armee

Von all dem würde heute im Übrigen niemand etwas wissen, hätte nicht 1974 ein örtlicher Bauer genug von der Dürre gehabt und nach Grundwasser gegraben. Die Quelle, auf die er stieß enthielt unendlich viel mehr Geschichte als Wasser, womit wieder bewiesen wäre, dass die dümmsten Bauern die dicksten Kartoffeln hervorholen können.

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