Benimmsisch für Anfänger (1)

Dezember 8th, 2008

Hallo und herzlich Willkommen zum ersten Teil unseres Kurses ‘Wie werde ich ein waschechter Chinese’. Im Verlaufe dieser mehrteiligen Informationsveranstaltung möchten wir Ihnen den Habitus des Mittelreichbewohners nahebringen, um Sie für Ihren Erstbesuch diesseits der Erdkugel zu rüsten und Ihr Auftreten an die lokalen Gepflogenheiten anzupassen.

Unser heutiges Thema: Der korrekte Gruß im öffentlichen Raum.

Höflichkeit und gegenseitige Rücksichtnahme sind unverzichtbare Attribute für ein gesellschaftlich akzeptables Miteinander. Auch im gelben Land mit der roten Fahne wird viel Wert auf eben diese Tugenden gelegt. Die Wertschätzung völlig fremder Mitmenschen erreicht hier für westliche Maßstäbe unbekannte Höhen. Vergessen Sie das Überdecken kleiner Pfützen oder schmutziger Straßenabschnitte mit ihrem Mantel. In China belächelt man derart gutgemeintes Kavaliersverhalten. Hier geht man so weit, den Boden vor Ihnen rein zu waschen. Man möchte Ihnen damit die Stadt zu Füßen legen und wird es Ihnen hoch anrechnen, wenn Sie mit gleicher Münze zurückzahlen. Und das machen Sie wie folgt:

Keine Angst, Sie müssen nicht mit einem Schrubber und einem Eimer Wasser umher wandern. Ähnlich wie in westlichen Kulturkreisen das ‘Küss die Hand’ oder das Ziehen des Hutes zur leichten Andeutung stilisiert wurde, deuten Sie Ihr wohlerzogenes ‘Ich wasche den Boden rein vor Ihnen’ lediglich als simple Höflichkeitsgeste an. Sie schmettern einfach einen möglichst großen Rotzfladen direkt vor die Füße der zu komplimentierenden Person. Hocherfreut wird er seinerseits der Tradition folgen und über den von Ihnen ausgebrachten Gruß steigen, wobei er Sie still und leise für ausgesprochen umgänglich halten wird. Insbesondere, da Sie aus einer fremden, in dieser Hinsicht als unflätig betrachteten Hemisphäre stammen.

Vor Würdenträgern, hochgestellten Persönlichkeiten oder schlicht von Ihnen hochgeschätzten Personen können Sie dieser Geste noch zusätzlich Ausdruck verleihen, indem sie die ‘Materialsammlung’ zu dieser Handlung so geräuschvoll wie möglich gestalten. Geben Sie den Anschein, als müssten Sie Ihre Freundlichkeit beinahe aus den Tiefen Ihrer Fußspitzen zu Tage fördern. Dies entspricht im maoistischen Kulturkreis in etwa unserem ‘Das letzte Hemd geben’. Beachten Sie dabei jedoch die wichtige 5 Sekunden Max-Regel (5smr). Ein durchgängiger Sammelton sollte nach Möglichkeit nicht länger dauern, darf dann jedoch bis zu dreimal wiederholt werden, sollte sich noch keine ausreichende Höflichkeit angesammelt haben. Ein Überschreiten der 5smr wird in der Regel als Heuchelei ausgelegt.

Kennen Sie die Person bereits sehr lange oder möchten Sie sich aufgrund des Umfelds einer legeren Variante bedienen, können sie die Kurzform wählen. Dabei kreuzen Sie den Weg der zu bedenkenden Person und stoßen auf ihrer Augenhöhe einen mittellauten Rülpser aus. Sind Sie jedoch unsicher und fühlen sich auf dem fremden Kniggeparkett noch nicht wohl, binden Sie sich einfach eine OP-Maske um. Dies signalisiert ‘Ich bin mir der fremden Gepflogenheiten bewusst, möchte jedoch keinen Fauxpas begehen und enthalte mich als stiller Beobachter’. Diese Entscheidung wird gemeinhin zumindest außerhalb von Gebäuden akzeptiert und schützt Sie zugleich noch vor Smog und Kälte.

Ja, sie haben ein ausgeklügeltes System, unsere fremden Freunde. Wir können viel von ihnen lernen.

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